Ob arm oder reich, elitär oder Durchschnitt, gläubig oder bekenntnislos. Immer sind es die großen Fragen, die uns ein Leben lang begleiten. REMAIN IN LIGHT – Bleibe im Licht. Die Ausstellung von Marbod Fritsch ist zugleich ein Auftrag an alle, die sie besuchen. Der raumfüllende Ring im Kirchenschiff steht für religiöse Toleranz – eine künstlerische Übersetzung der berühmten Ringparabel aus „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing.
Gefüllt mit über 400 Kerzen hängt dieser Ring wie ein Kronleuchter über dem nach den Ausgrabungen offenen Boden. Menschen verschiedener Religionen sollen nach und nach Kerzen anzünden, und zwar nach einem vorgegebenen zeitlichen Rhythmus, sodass die erste Kerze dann erlischt, wenn die letzte Kerze auf dem Ring angezündet wird, so die Idee des Künstlers: „Das gewählte Material der Kerzen, die sich selbst verzehren, während sie ihr Licht abgeben, ist ein Symbol des verrinnenden Lebens und versinnbildlicht die Ungewissheit des Lebens als etwas leicht Auslöschbares. Diese Herausforderung verbindet uns alle, die wir ja nur Ameisen sind auf dieser Erde.“
Der Ring mit den Kerzen ist die Bühne für das Geschehen. Das Bild soll sich durch die Beteiligten vervollständigen und langsam in der vom Künstler vorgegebenen Form wachsen. Eine gewagte Vorstellung, könnte man ein wenden. Doch der Zweifelnde wird eines Besseren belehrt. Aleviten, Katholiken, Druiden und Buddhisten, Evangelische und Altkatholiken machen bereits den Eröffnungsabend zu einem Fest der Begegnung. Vernissageredner Patrick Fürnschuß sieht darin den Kern der Installation: „Es sind die Menschen, die sich in die Mystik des Raumes erst einlassen müssen. Die vergleichbar mit einem psychotherapeutischen Prozess erst innehalten müssen um sich berühren zu lassen und damit mit sich selbst in Berührung zu kommen. Sich so ihrer selbst und ihrer Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten bewusst werden. Es ist dieser lichte Innenraum im Menschen, wo Heilung im Sinne von heil und ganz werden erlebt bzw. erahnt werden kann, wo achtsam Freiheitund Verantwortung entspringen können. Ein Kunstgriff von Fritsch: Dor Mensch Ist es, der das Licht in die Welt bringen kann und – egal wie er entscheidet der mit seiner Präsenz, mit seinem Handeln oder Nicht-Handeln zum Werk beiträgtbzw. sich damit verbindet.“
Im Altarraum hat der Künstler mit dem Kerzenvorrat ein pixelartiges Textbild gestaltet: REMAIN IN LIGHT. Dabei bedient sich Marbod Fritsch bei einem der einflussreichsten Popalben aller Zeiten. „Remain in Light“ erschien 1980 und war die vierte Platte der Talking Heads. Aufgrund der neuartigen Verwendung inten sivster Rhythmen ein Solitär der damaligen Musik, erinnert sich der Künstler: „Jener Generation, die sich wie ich nun im letzten Lebensdrittel befindet, ist diese Platte ein Begriff. Wie auch der Ort selbst, eine ehemalige Kirche, in der nun moderne Kunst gezeigt wird, verbinde ich die säkulare und klerikale Welt.“ „Welches Licht ist gemeint?“ fragt sich folglich Patrick Fürnschuß. „Das von den ersten Hochkulturen und von nahezu allen Weltreligionen zitierte göttliche Licht? Passend zur sakralen Geschichte der Johanniterkirche, deren Namensgeber Johannes der Täufer – hier sichtbar auf dem Fresko von Florus Scheel – einst einen gewissen Jesus von Nazareth taufte, der sich selbst das Licht der Welt nannte? Johannes der Täufer, der jüdische Bußprediger, der nicht nur im Christentum, sondern auch im Judentum und im Islam verehrt wird, und in dessen Namen sich die heute noch aktive Religionsgemeinschaft der Mandäer begründete. Oder ist das Siecle des Lumieres, das Jahrhundert des Lichts, also die von Frankreich ausgehende Aufklärung gemeint? Eine Zeit, in der das Licht umgedeutet wurde, es nicht mehr von Gott und der Kirche, sondern nunmehr vom Menschen und seiner Erkenntnisfähigkeit, seiner Vernunft ausgeht? Eine Zeit, in der auch die Johanniterkirche säkularisiert und erst als Salzmagazin und in der Folge als Gymnasialkirche im Dienste der Vernunft genutzt wird. – Welches Licht ist gemeint?“
Für den Künstler ist es das Licht eines Rituals, das ihn an seine Zeit als Internatsschüler in Feldkirch erinnert. Marbod Fritsch besuchte von 1974 bis 1978 das Jesuitengymnasium Stella Matutina. „Besonders gefallen hat mir damals das aufwändige Ritual des Messdieners mit den Kerzen. Bis heute ist das Opferlicht für mich ein starkes Zeichen der Hoffnung geblieben, das über alle Religionen hinweg strahlt.“
So empfinden es wohl auch viele Menschen in der Ausstellung, deren Handeln letztlich weit über die vom Künstler erdachte Performance hinausgeht. Sie kommen einfach, nehmen eine Kerze, zünden sie an und stellen sie mit vertrauten Bewegungen in den Ring. Nun ist es nicht mehr der Künstler, sondern das Leben, das hier Regie führt. Ergriffen zieht sich Marbod Fritsch zurück: „Es ist unglaublich, wie viele Leute das berührt, was ich in Gang gesetzt habe. Nun muss ich es loslassen. Meine Regieanweisungen sind viel schwächer als das gelernte Ritual des Herzens.“