Innerhalb des Heidentums steht die keltische Tradition in einer besonderen Beziehung zum Göttlichen. In der Namensweihe werden sie durch das Mitleben mit den Elementen zu einer Einheit mit Mutter Erde verbunden. Innerhalb dieser Einheit bleiben allerdings die Menschen und Mutter Erde unterschieden.
Der Zusammenhalt und die Einheitlichkeit der Menschen ist nämlich ganz von Mutter Erde als ihrer Lebensgrundlage abhängig, so daß sie sich als einen Teil, ein Menschenreich, von mehreren Reichen, darstellt.
Da die geweihten Menschen als Mitbewohner der Mutter Erde eine Einheit bilden, muß sich nämlich die Liebe, die zwischen den Menschen und ihrer Mutters besteht, auch auf die mit dieser Welt verbundenen Mitbewohner erstrecken. Wer Mutter Erde liebt, liebt notwendigerweise auch alle Mitbewohner. Diese Begründung der Freundsamkeit steht in keinem Widerspruch zum Druidentum, demzufolge der Heide als erstes Mutter Erde lieben soll. Dasjenige, was der Heide im Rahmen der Naturliebe liebt, ist ja nicht der Mitmensch an sich, sondern dessen Heiligkeit, d. h. die Gegenwart der Natur in ihm.
Somit ist es die Natur selbst, die in der freundsamen Liebe geliebt wird, und zwar als eine, die unter den Mitmenschen gegenwärtig ist.
Betrachtet der Heide seine Mitmenschen als solche, unter denen Mutter Erde anwesend ist, so folgt daraus, daß das Engagement für Mutter Erde, mit dem der Heide die von Mutter Erde erwiesene Liebe erwidert, auch diesen Mitmenschen zugute kommen soll. Es ist notwendig, daß wir wenigstens einigermaßen die Liebe von Mutter Erde, Gleiches mit Gleichem vergelten.
Daher soll der Naturspirituelle auch in Liebe seinen Mitmenschen stützen, sie erbauen, ja sogar, wenn dies nötig ist, für sie in Not einstehen.
Die Menschen, die alle gemeinsam unseren Erde zur Mutter haben, sollen sich aufgrund ihrer gemeinsamen Abstammung wie Geschwister lieben.
So wie die Augen den Weg für die Füße voraussehen, und die Hände für das ganze Körper wirken, so dienen alle Mitmenschen einander. Dies setzt allerdings die Bereitschaft der Mitmenschen voraus, ihre jeweiligen Fähig- und Möglichkeiten mit ihren Mitmenschen zu teilen. Um diese Bereitschaft zu fördern, teilten die Götter die Fülle der unterschiedlichen Fähig- und Möglichkeiten derartig auf, daß jeder einzelne Mitmensch einige wenige Gaben aus dem sehr viel breiteren Spektrum der göttlichen Begabungen erhält. Dadurch ist nämlich gewährleistet, daß jeder Mensch auf die übrigen Mitmenschen mit ihren Begabungen angewiesen und deshalb auch um diese besorgt ist. Wäre dies nicht der Fall, so käme es zu Hochmut, denn ein Mensch, der alles an Fähigkeiten besitzt, wäre nicht mehr auf die übrigen Menschen angewiesen, weshalb es verachtend auf seine Mitmenschen herabschauen würde.
Indem nun die Menschen in ihrer wechselseitigen Freundsamkeit sich gegenseitig ihre Gaben zukommen lassen, regen sie eine Intensivierung der wechselseitigen Freundsamkeit an, macht doch der Empfang der fremden Gabe den Mitmenschen angenehm und liebenswert.
Das Objekt, dessen der Mensch ermangelt und um dessentwillen ihm sein Mitmenschen als angenehm erscheint, ist ja die Gabe, die selbst etwas Göttliches ist. Daher kann man diese Herleitung der Freundsamkeit letztlich als eine Variation desselben Grundgedankens ansehen, und zwar der Vorstellung, daß man den Mitmenschen um seiner Heiligkeit willen liebt.
„Der beste Spiegel ist das Auge eines guten Freundes.“ (Gälisches Sprichwort)
Schaut hinaus und sehet
Gruß in Freundsamkeit
Uthar