Ich danke der Künstlerin für das Bild: Dorothea Frühwirth (www.doro.gallery)
wir gehen sitzen, in den Wald, fastend, über Nacht, ganz alleine ….
Hier mein sehr ehrlicher Bericht!
Es ist der 21. auf den 22. August. Unser Druide Uthar und unsere Druidin Arwen haben mich vor ein paar Monaten zur Druideninitiation eingeladen. Ich fühle mich sehr berührt, ihren Segen dafür zu bekommen. Heute ist es so weit – wir machen eine Visionssuche in der Bazora, ein Flecken Erde, den ich gut kenne. Auch ist es nicht meine erste Visionssuche, ich habe schon mal eine Nacht gesessen, weiter oben, auf einer Lichtung, bei Vollmond, mit einem sagenhaften Ausblick übers Rheintal bis zum Bodensee. Doch irgendwie ist es heute anders als sonst. Ich habe im Vorfeld viele Ängste.
Überhaupt ist mir sogar am helllichten Tag unwohl, alleine im Wald unterwegs zu sein. Ich weiss nicht woher das kommt, ich liebe die Natur über alles und ich bin so gerne im Wald, und doch habe ich ständig Angst und muss mich umblicken, wenn ich ganz alleine unterwegs bin. Also alleine im Wald zu sitzen, das ist sowieso die grösste Herausforderung für mich, und dann noch nachts, und sagte ich schon: alleine?!
Und dann kommt hinzu … man hört immer wieder von Wölfen, in unserem Nachbarort wurden Wölfe sogar im Ortskern auf der Strasse gesichtet. Und zu allem Übel sehe ich in einer Dokumentation, dass in Graubünden, also auch nicht so weit von uns weg, ein Bär in eine Falle gegangen ist. Was, wenn in der Nacht ein Rudel Wölfe mich findet? Auch meinen Ehemann quälen diese Sorgen und er meinte: „Warum musst du auch immer wieder solche Sachen machen.“ Ich habe mich ausgestattet mit Pfefferspray und einem guten Messer, um mich verteidigen zu können und fühle mich so sicherer.
Also gut … der Tag der Wahrheit. Ich sehe es ein, es ist Zeit meine Angst vor dem Wald zu überwinden. Wir sind übrigens zu zweit, eine weitere Schülerin wurde zur Druideninitiation nominiert und wird heute auch sitzen. Wir suchen uns im Wald einen Platz, wo wir unser Lager aufschlagen, die Aufgabe ist, so weit auseinander zu sitzen, dass man sich nicht sehen, jedoch noch hören kann. Schnell finden wir beide einen Platz. Uthar eröffnet einen Schutzkreis und entsendet uns zur Visionssuche und verabschiedet sich dann wieder. Aha??? Er bleibt nicht über Nacht, er fährt ins Tal zurück? Er macht nicht den Schutzzaun um uns herum und spricht einen Schutz? Es ist unsere eigene Aufgabe uns einzuhagen und zu schützen.
Okay …. verunsichert, ob ich das schon genügend kann, kehre ich nach einer liebevollen, glückwünschenden Verabschiedung meiner Kollegin zu meinem Platz und hage mich ein (für wen das neu ist: bei einer Visionssuche wird mit einer Schnur der Platz eingezäunt, in welchem man die ganze Nacht sitzt, nur wenn man auf die Toilette muss, darf man kurz raus, und wenn man wiederkommt räuchert man sich ab, bevor man wieder in den eingehagten Raum eintritt und Platz nimmt). Es ist ca. 16:30 Uhr. Ich entzünde Räucherware und nehme Platz, links von mir der Pfefferspray und rechts von mir mein Messer in der Erde steckend. Ich spreche meine Schutzgebete, so wie ich es gelernt habe. Wenn Arwen den Schutz um uns herum macht, fühle ich mich zu 1000% beschützt. Jedoch mit meinem Schutz …. Zweifel kommen … warum das jetzt? Es wird mir etwas klar, es liegt an meiner Disziplin. Ich bin (eigentlich) sehr brav, spreche (fast) jeden Morgen meine Mantren und Schutzgebete, aber in den Ferien, wenn das Aufstehen später folgt und nicht alles so im gewohnten Rhythmus stattfindet, dann vergesse ich manchmal darauf. Und jetzt bin ich mir nicht ganz sicher, ob die Götter und Göttinnen und Ahnen und Ahninnen so eine Freude mit mir haben, dass sie heute auch ganz gut auf mich aufpassen und mich schützen. Was für eine interessante Entdeckung das gerade ist …. was ein schlechtes Gewissen im Rahmen dieser Naturerfahrung an Konsequenzen mit sich bringt. Nun sitze ich an einen Baum gelehnt, stundenlang, im Gebet, meditierend, um eine Vision bittend, aber auch verkrampft, auf jeden Mucks und Ton achtend, ob sich Tiere annähern, es dämmert bereits. Ich versuche mir die Umgebung einzuprägen, damit ich mich im Dunklen daran erinnere, wie alles ausgesehen hat. Man kennt das doch, dass man im Dunklen alles mögliche sieht. Und irgendwann kam es mir wie ein Blitz eingeschossen – leg den Pfefferspray weg und auch das Messer, geh ins Vertrauen, denn so kann einfach keine Vision kommen. Und ich entscheide mich dazu, packe alles weg, denn dieser Wald ist derart ruhig und friedlich, dass ich mich entspannen und vertrauen kann. Irgenwann wird es dunkel, es ist immer noch freundlich und friedlich und ich verspüre keinerlei Angst. Obwohl es das Ziel ist, sich während einer Visionssuche die ganze Nacht wach zu halten, muss es mir doch passiert sein … ich bin eingenickt … und werde mit folgender Szene überrascht.
Vor mir ein lautes Rauschen, es kommt auf mich zu, was ist das nur, echt laut? Auf einmal fallen Regentropfen … Regen? Ich habe nichts dabei, keinen Regenschutz, alle Wetter-Apps sagten Regen erst ab dem nächsten Tag mittags an. Auch Uthar sagte, es würde trocken bleiben. OK … mal ruhig bleiben, vielleicht zieht es ja schnell über uns drüber. Doch die Tropfen werden immer mehr und mehr, und werden erst gut abgehalten von den Blättern der Bäume, die über mir stehen, doch irgendwann prassen Regenströme auf mich herunter. Und es blitzt und donnert, direkt über uns, oh Mann. Mein Puls schlägt bis zum Hals, ich habe keine Ahnung was ich tun soll. Ist man jetzt von den Göttern beschützt? Oder sollte man in so einer Situation vernünftig sein und nicht im Wald sitzen bleiben? Man sagt doch immer, wenn es blitzt soll man auf eine Lichtung gehen, weg von den Bäumen. Ich bin umringt von Bäumen. Und noch dazu, der Baum an den ich angelehnt bin, geht immer wieder von meinem Rücken weg, weil auch ein Wind aufgekommen ist. Was wenn Äste runterfallen? Ich bin immer wieder die pure Angst … dann kann ich wieder klare Gedanken fassen … dann bin ich wieder pure Angst. Es ist 03:26 Uhr als das Gewitter beginnt. Kurze Zeit habe ich das Gefühl, dass der Donner nun ein bisschen weiter weggezogen ist und es sein könnte, dass das Gewitter weiterzieht. Und ich beschliesse zu bleiben. Und auf einmal kommt neuerlich ein Rauschen auf uns zu, gibt’s so etwas – es ist furchteinflössend, und es geht wieder weiter mit dem Blitzen und Donnern über uns. Es ist 03:46 Uhr als ich mich entscheide zusammen zu räumen, es geht nicht mehr, für mich stimmt es nicht mehr. Jedoch quälen mich Fragen: „Darf ich dann eine Druideninitiation erhalten, wenn ich jetzt abbreche? Darf man überhaupt abbrechen?“ Und trotzdem in meinem Inneren höre ich eine klare Stimme, die mir sagt, dass ich jetzt abbreche. Mit Sack und Pack beginne ich hochzusteigen, es ist stockfinster, über meine Brille rinnt der Regen und ich sehe alles verschwommen. Ich finde den Weg nicht mehr, halte mich gefühlsmässig einfach rechts, denn dort bin ich hergekommen. Am Ende des Waldes rufe ich nach Dela, sie muss da irgendwo sein. Ich frage sie, ob sie keine Angst habe? Sie bestätigte auch ihre Angst, aber dass sie nun das Gefühl hätte, das Wetter würde weiterziehen und sie wolle da bleiben. Ich überprüfe meine innere Stimme … nein, ich möchte nicht zurückgehen und suche weiter nach dem Weg … der scheint wie verschwunden … ich kann ihn nicht sehen. Ich gehe einfach weiter nach oben ins hohe Gras hinein, ich werde schon irgendwo herauskommen und kann schon bald das Maisäss ober uns sehe, ca. 100 Meter entfernt. Es schüttet wie aus Kübeln und donnert und blitzt über mir … und auf einmal muss ich lächeln … was hatte ich mir für Sorgen wegen Wölfen gemacht?? Was für ein Unsinn! Hauptsache ich schaffe es gesund bis unters Dach, das ist alles was zählt. Und ich schaffe es, sitze auf die Veranda und hoffe, dass ich niemanden geweckt habe. Hier fühle ich mich wohl, ich mache mir aber Sorgen um Dela. Ich beginne zu beten und bitte um Schutz für Dela und darum, dass das Gewitter doch nachlassen möge. Ich sitze keine 10 Minuten, da kommt Uthar um die Ecke und er fragt nach Dela. Denn er hat uns bereits um 03:34 Uhr auf Whatsapp geschrieben gehabt, dass wir zum Haus gehen sollen (was wir aber nicht gesehen haben, denn natürlich hatten wir während der Visionssuche das Handy ausgeschalten). Puuhhhh … jetzt bin ich aber froh, denn ich bin erst 20 Minuten später gegangen, alles richtig gemacht, alles gut, nichts passiert. Uthar holt Dela und wir fahren alle miteinander nach Feldkirch zum Zuhause von Uthar und Arwen. Der feine warme Kaffee und ein Frühstück tut uns gut.
Und so gehen wir in einen Austausch und erzählen unser Erlebtes … ich erzähle ganz aufrichtig vom Pfefferspray und Messer und von meiner Angst, mein fehlendes Vertrauen in meinen Schutz, dass ich 20 Minuten sitzen geblieben bin, obwohl ich Todesangst hatte während dem Gewitter direkt über uns.
Arwen sagte: „Taranis ist gekommen, um euch zu initiieren!“
Mein Herz ….. jetzt tat es mir leid, dass ich nicht genug Vertrauen hatte.
Ja, das glaube ich sofort, denn dieser Regen war nirgendwo angesagt, und wir haben Wetter-Apps, die sehr treffsicher sind, dieses Gewitter kam aus dem Nichts!
Ich bin ewig dankbar für diese Erfahrung.
Ich habe erkennen können, dass meine Disziplin verbessert gehört, damit ich in ein gutes Vertrauen gehen kann. Ich habe erkannt, dass Ängste keine Vision bringen können, erst das Loslassen. Ich habe erkannt, dass dieser Wald wunderschön ist, eine ganz friedliche Energie dort vorherrscht und meine Ängste ganz unbegründet sind. Ich habe erfahren, dass alles ganz anders kommt, als man denkt – wieder mal. Das was einem helfen kann, ist, ein unerschütterliches Vertrauen, dass man behütet und beschützt ist und wenn man sich gesegnet fühlt. Dies alles gilt es für mich nun zu vertiefen und daran zu arbeiten.
Uthar und Arwen bestätigen, dass ich für die Druideninitiation trotzdem weiterhin würdig bin, weil ich über meine Grenzen gegangen bin und das der Sinn einer Visionssuche ist.
Heute ist der 08. Oktober 2021, heute schreibe ich diesen Text, denn heute habe ich die Druideninitiation erhalten dürfen und ich bin tief dankbar, diesen Weg zu gehen und nun wieder weiter wachsen zu dürfen. Seit über 11 Jahren arbeite ich an den Lehrbriefen und heute wurde ich Druidenlehrling und beginne einen neuen Abschnitt meines Lebens.

Ich gratuliere dir und zolle dir groooßen Respekt. Ängste zu Überwinden, in finstrer Nacht, bei solch einem Wetter Chapeu.
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Herzlichen Dank!
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